Sonntag, 14. Mai 2017

Caterina Lichtenberg und Mike Marshall

Heute waren  Caterina Lichtenberg und Mike Marshall bei den Freien Klängen zu hören.


Caterina Lichtenberg und Mike Marshall nahmen das Magdeburger Publikum durch eine  musikalische Weltreise, eine "tour of the mandolin around the world", wie der auf  eine sehr charmante Weise in seiner Muttersprache moderierende Mike Marshall sagte. Den Anfang machte ein Stück des brasilianischen Mandolinisten Jacob do Bandolim. Mit ''the tricki devil'' erwies sich die Mandoline gleich als das "lustige" Volksinstrument, das nicht ohne Grund so weite Verbreitung fand. Die Doppelseiten sorgen für einen kräftigen Klang, die Finger der beiden Musiker flitzen nur so darüber. Danach ging es in Mike Marshalls Heimat Nordamerika, wo er das lautmalerische Stück ''Cat got the mouse'' angesiedelt hat. Ein musikalischer Spaß mit verteilten Rollen ("Caterina spielt die Mäuse" sagte er). Und in ihrem schnellen Pizzicato mag man wirklich die flinken Mäusefüße trappeln hören.

Danach wechselten beide Musiker in die klassische Musik, zu Vivaldi, Telemann und Bach. "Vivaldi schrieb einige Stücke auch direkt für die Mandoline", erläuterte Catrina Lichtenberg, "und bei anderen Stücken haben wir den Vorteil, daß die Mandoline genau wie eine Violine gestimmt ist, man kann also auf der Mandoline die Geigenstücke unverändert spielen". Zu hören war das bei einer dreisätzigen Sonate von Vivaldi. Lichtenberg und Marshall lassen alte Musiktradiotionen lebendig werden, im zweiten Satz begeistern sie durch die kristallklaren Töne mit akkuratem Anschlag.

Als Mike Marshall dann mit einem größeren Instrument auf die Bühne kommt, sieht er fragende Blicke. "Ein Mandoloncello", erklärt er, "eine Baßmandoline, die wie eine Cello gestimmt ist". Bevor beide Bachs Inventionen in ihrer Mehrstimmigkeit auf den zwei  unterschiedliche großen Instrumenten spielen, weist Caterina Lichtenberg auf eine Ähnlichkeit der Mandoline mit dem Cembalo hin, für welches die Inventionen geschrieben waren: "die Mandoline wird mit dem Plektrum gespielt, beim Cembalo werden die Saiten mit einem Federkiel angerissen. Das erzeugt ähnliche Töne". Der Wechsel zwischen unterschiedlichen Instrumenten gehört ohnehin zur historischen Aufführungspraxis und Bachs Inventionen klingen interessant anders und doch vertraut.

Telemann gehört bei ihrem Magdeburger Konzert in der Telemania-Reihe unbedingt auf das Programm. Caterina Lichtenberg kündigt Telemanns Musik an: "Hier muß ich zu Telemann wohl nichts sagen". Und als sie sich mit Mike Marshall über Details dazu kurz verständigt, erklärt sie weiter: "Das ist jetzt wie in der Bluegrass-Szene, in der wir ebenfalls oft spielen – da gibt es viele erstklassige Musiker, die genial spielen, aber keine Noten lesen können".  Überhaupt ist die Rolle der Mandolinen und die Geschlechterverteilung in der amerikanischen Bluegrass-Tradition eine ganz andere als hierzulande, erklärt Mike Marshall: "Dort ist die Mandoline traditionell ein Männer-Instrument", sagte er, "und als ich Caterina das erste mal mit zu einem Konzert mit neun weiteren Mandolinisten nahm, waren sie hin und weg davon, daß eine Frau Mandoline spielt".

Bluegrass-Musik gab es dann auch im Solo von Mike Marshall zu hören. Musik, die man sich auch als Begleitung zu manch einem Western vorstellen könnte. Bekannteste Melodie und sofort herauszuhören wird wohl "Oh Susanna" gewesen sein. Das Gegenstück dazu lieferte Caterina Lichtenberg in ihrem Solo, einem Air von Gabriele Leone, das sie so virtuos spielte, als wäre die Geschwindigkeit der Hände gar kein begrenzender Faktor.

Ein von beiden gespieltes Stück, "Bokeh" von Daniel Husker, war ein verblüffendes musikalisches Vexierspiel, bei dem in mehreren Durchläufen einzelne Töne variierten, das Spiel beider Musiker auseinanderlief, bis beide dann am Ende wieder bei der selben Melodie ankamen. Ein konzentriert zu spielendes Stück, bei dem es auf jede Note ankommt.

Das Konzert wurde diesemal von der "Telemania"-Reihe und den Leuten um den Magdeburger Philharmoniker Marco Reiss organisiert. Deshalb gab es auch vorher schon, ab 17 Uhr, den Telemania-Coffee. Die Besucherzahlen waren so hoch, daß sogar noch zusätzliche Stühle hereingeholt werden mussten – was jeden Veranstalter freut, und Warnfred Altmann, den künstlerischen Leiter der "Freien Klänge" ganz besonders: er freute sich (nein, wörtlich sagte er: "ich bin überglücklich"), vielleicht sogar ein paar neue Gäste aufmerksam gemacht zu haben auf diese Konzertreihe, die sich mitten zwischen vielen Genres bewegt, zwischen Weltmusik und Klassik, zwischen Klezmer und Jazz. Eine interessante und immer wieder hörenswerte Musikmischung – die nur ein Problem hat: damit kann man sich nicht auf ein einziges Genre festlegen, das dann irgendwann etabliert ist.

Ähnlich sehen das auch Caterina Lichtenberg und Mike Marshall, die sich ebenfalls zwischen vielen Stilen bewegen: sie mit dem Interessen an der Klassik von klein auf, Musikstudium und inzwischen Professorin für Mandoline und er, aus der amerikanischen Bluegrass-Musik stammend, aber immer auch die alte Musik liebend. Und von all dem findet sich etwas in ihren Konzerten. "Das macht es schwierig, sie zu bewerben", sagte mir Mike Marshall nach dem Konzert.

Da sind Besucher willkommen, die neugierig sind alles mitzunehmen, was auf den musikalischen Tisch kommt, die neugierig sind auf alles neue – das treibt die ständigen Gäste der freien Klänge an und das führte heute auch ein eher klassisch interessiertes Publikum hinter die dicken alten Mauern der Festung Mark in Magdeburg. Wie klingen Telemann und Vivaldi auf der Mandoline, wie verträgt sich das mit neuen Kompositionen die auch Einflüsse aus der amerikanischen Western-Musik mitbringt. Sehr gut, konnte das Fazit am Ende nur lauten.

Marco Reiß, Violinist bei den Magdeburger Philharmonikern, der selbst auch schon bei den Freien Klängen zu hören war, liefert eine Anekdote über das Zustandekommen des Konzertes mit der aus Magdeburg stammenden Mandolinistin. "Caterina kenne ich schon seit unserer Jugendzeit", sagte er, "unsere Familien waren befreundet. Im Sommer 1989 waren wir sogar gemeinsam auf einer Auslandstournee in Magdeburgs Partnerstadt Donezk, ich als Mitglied des städtischen Orchesters, sie als 17jährige Musikschülerin des Magdeburger Konservatoriums". Auch wenn sie später keine gemeinsamen musikalischen Kontakte mehr hatten, wußte doch jeder vom anderen, was man so macht, "und als ich Ideen für die Telemania-Reihe suchte, fiel mir Caterina und ihre Beschäftigung mit der Alten Musik wieder ein", sagte Reiß.


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